Kürzlich habe ich einen Artikel für den SPIEGEL geschrieben. Er trägt den Titel “Wie Netflix den perfekten Mann erfand” und ist in seiner Klickigkeit sehr angemessen, denn es geht um Adam Brodys heißen Rabbi in der Serie Nobody Wants This. Der ist nicht nur selbstironisch, irgendwie dorky und natürlich attraktiv. Er ist auf eine Art und Weise empathisch, emotional offen und unmanipulativ, die sich so erfrischend anfühlt, dass ich und Hunderttausende andere Menschen auf der ganzen Welt (sprich: im Internet) gar nicht anders können, als ihn anzubeten.
Wie unrealistisch es ist, so eine Person zu finden, zeigt sich übrigens schon darin, dass ich sehr lange darüber nachgedacht habe, was das Gegenteil von “manipulativ” ist und trotzdem zu keinem sprachlich befriedigenden Ergebnis gekommen bin.
Ich weiß nicht, wie viele Menschen meinen SPIEGEL-Artikel gelesen haben. Zumindest eine Journalistin von der Welt muss es aber gewesen sein, denn die hat eine Art Erwiderung geschrieben, die ich hier nicht verlinken will, weil ich den Text zum einen inhaltlich sehr unentschieden finde, er aber auch ganz offensichtlich geschrieben wurde, weil Nobody Wants This gerade (noch) ein heißes Thema ist und man mit einer konträren Meinung zum Diskurs mehr Klicks macht als mit “Ich fand’s übrigens auch ganz schön”.
(Das heißt nicht, dass es keine fundierte Kritik an dieser Serie geben kann. Eine Kollegin hatte mich darauf hingewiesen, dass NWT seine jüdischen Frauen sehr eindimensional und furienhaft darstellt und daher problematisch sei. Das habe ich persönlich nicht so wahrgenommen, denn ich liebe konfrontative Charaktere, weswegen das etwas Positives für mich ist. Ich verstehe aber, warum man das so sehen kann und damit Klischees zu jüdischen Frauen berührt werden, die popkulturell generell sehr gefestigt scheinen.)
Der Grund, warum ich WOCHEN nach dem Streaming-Start einer Netflix-Serie einen Newsletter dazu schreibe, ist aber nicht die Frage, ob sie gut ist oder was sie besser machen sollte. Denn der SPIEGEL hat zu meinem Artikel einen Social-Media-Post veröffentlicht, der für sehr viel … ich sage mal emotional aufschlussreiche Ausbrüche in den Kommentaren gesorgt hat. Insbesondere bei selbsternannten Männern. Und ich muss ehrlich sein, Instagram-Bros: ich mache mir ein bisschen Sorgen um euch.
Von sehr vielen liest man, die vornehmlich weibliche Begeisterung für Adam Brodys Charakter sei eine Lüge, weil Frauen in der Realität ganz andere Männer gut fänden. Auf Emotionen bei Männern würde herabgeblickt werden und Leute, die Partner:innen gut behandeln, würden sowieso immer in der Friendzone landen. In dieser Überzeugung lassen sich die kommentierenden Herren auch nicht dadurch erschüttern, dass ihnen heftig widersprochen wird – auch und vor allem von Personen, die sich als weiblich zu identifizieren scheinen.
Ich habe dazu zwei Emotionen. Zum einen tut es mir wahnsinnig Leid, Kommentare zu lesen, in denen Personen erzählen, sie seien wegen Tränen oder emotionaler Offenheit als unmännlich abgewertet worden. Das ist scheiße und genau deswegen sind Diskussionen über Geschlechterideale, die einschränken, isolieren und unglücklich machen wichtig. Zum anderen finde ich es unfassbar unterhaltsam, quasi live dabei zusehen zu können, wie das Weltbild von Möchtegern-Alpha-Dudes zusammengeklappt wie ein Kartenhaus aus Peaky-Blinders-Memes.
Was euch auffallen wird: Adam Brody hat kein Wildkatzentattoo am Hals oder andere Insignien vermeintlich “echter” Männlichkeit.
Wenn ihr alle so krasse Typen seid und richtige Männer, die genau wissen, was Frauen wollen, warum dann diese panische Reaktion auf die Idee, dass Beziehungen auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt erstrebenswert und – man mag es nicht glauben – sexy sind? Who hurt you, und jetzt sagt nicht, die eine aus der Parallelklasse, die euch nie angeguckt habt, als ihr 14 wart und euch noch nicht darauf trainiert hattet, jede Gefühlsregelung in Protein-Shakes zu ertränken?
Wenn euch die Personengruppe, die ihr sexuell und romantisch anziehend findet, sagt: Wir mögen, dass dieser Mann in dieser Serie nicht nur über seine eigenen Witze lacht, beim kleinsten Anzeichen von einem Problem nicht sofort wegrennt und bereit ist, über Gefühle und damit zusammenhängende Probleme zu sprechen … Dann heißt das nicht, dass ihr alle aussehen müsst wie ein Hollywood-Star oder zum Judentum konvertieren oder eure bezahlbare Wohnung gegen ein Haus in Los Angeles tauschen sollt. Die Message ist: Steht zu euren Gefühlen, steckt Arbeit in eure Beziehungen, kommuniziert erwachsen und empathisch und seid für eure Partner:innen da.
Wenn euch das Angst macht oder nicht machbar erscheint, fragt euch warum – und deabonniert verdammt nochmal diese ganzen Männerpodcasts, die euch selbstbewusst vorlügen, was Frauen angeblich wirklich wollen oder warum Evolutionspsychologie und Urzeittriebe das einzige sind, wonach emotionale und körperliche Anziehung bemessen lässt. Meine Fresse.
Community-Aufgabe (das hier ist ein wiederkehrendes Newsletter-Element)
Welche Serien-, Film- oder Videospielfigur ist so perfekt, dass ihr sie gerne daten würdet und warum? Schreibt es mir in die Kommentare.
🫀 Lisa
Wenn mehr Texte mit einem beherzten "Meine Fresse" abschlössen, dann wäre die Welt ein besserer Ort.
„selbsternannte männer“ 👏👏👏