Der Mann, der jedes Jahr einen neuen Banger zu veröffentlichen scheint, dreht eine Adaption von Bret Easton Ellis’ literarischem Nervenzusammenbruch - American Psycho. Nein, nicht Giorgos Lanthimos, Luca Guadagnino! Es gibt Leute, die freuen sich. Ich nicht. Zum einen, weil ich eine sehr uneuphorische Person bin, zum anderen, weil die perfekte Filmadaption bereits 2000 erschien und – apropos of nothing – von einer Frau gedreht und mitgeschrieben wurde, nämlich Mary Harron, die danach nicht ansatzweise so erfolgreich geworden ist, wie sie hätte werden sollen.
Die Details zur Guadagninoschen Adaption sind bisher ziemlich übersichtlich. Bekannt ist neben produktionsseitigen Infos, die nicht so interessant sind, dass Scott Z. Burns das Drehbuch schreiben wird. Von allen Filmen, an denen er als Autor beteiligt war, habe ich nur Das Bourne Ultimatum angeguckt und bei dem erinnere ich mich vor allem an Matt Damons Gesicht, das immer etwas aussieht, als würde er in einem sehr unbequemen Sessel sitzen. Aber ich möchte jetzt auch nicht ZU negativ sein.
Werde ich mir den Film angucken? Ja, natürlich. Aber trotzdem fällt mir so gut wie kein anderer Titel ein, bei dem sich eine Neuverfilmung so unnötig anfühlt wie bei American Psycho.
Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass ich hier das Problem bin. Für welche Art von Geschichte man eine Neuverfilmung für angemessen hält, hat nämlich immer elementar damit zu tun, wie man zur ersten Adaption steht – oder ob man die vielleicht gar nicht gesehen hat. Hier hilft vielleicht ein Beispiel.
MEIN Scarface ist der aus den 80ern. Das wusste irgendwann auch jeder meiner Tumblr-Follower, ich habe nämlich sehr viele Bilder aus dem Film in Schwarz-Weiß gepostet. Mein Scarface ist allerdings nur eine Neuverfilmung von Scarface aus den Dreißiger Jahren. Mit deutlichen inhaltlichen Unterschieden, aber eben doch: eine Neuverfilmung. Und es gibt Leute da draußen, die der Meinung sind, dass diese Neuverfilmung an das Original nicht heranreicht.
Ich werde den 80er-Jahre Scarface immer besser finden, weil das die Variante der Geschichte ist, die ich zuerst gesehen und geliebt habe. Das bedeutet nicht, dass es nie wieder einen guten Gangster-Film über einen Pelikan-Fan geben darf, der sich seiner Kokspsychose hingibt und Sex mit seiner Schwester haben möchte. Sobald der Scarface heißt und einen Protagonisten namens Tony Montana hat, werde ich ihn nur eben mit dem Original vergleichen und ich sage mal so: Ich bin nicht nur peinlich auf popkulturellen Erzeugnissen aus meiner Jugend hängengeblieben, ich bin auch verdammt loyal.
American Psycho ist kein Psychothriller, in dem es um einen Mörder geht. Es geht um eine Person, die in abstrusem Maße privilegiert ist, nichts kann doch alles möchte, und auf der verzweifelten Suche nach (primär männlicher) Anerkennung und wegen der Unfähigkeit, mit der eigenen inneren Leere umzugehen, schließlich durchdreht. Das dabei natürlich auch Menschen zu Tode kommen, ist eher eine Begleiterscheinung. Dass Patrick Bateman und seine Kollegen alle weiß und männlich sind, ist ebenso wichtig wie die Zeit, in der Buch und bisherige Verfilmung spielen. Verändert man einen Aspekt davon, schmälert man die Geschichte – oder erzählt gleich eine ganz andere. Doch auch wenn Guadagnino bei den Eckpfeilern bleibt, kann er nur verlieren.
Klar, American Psycho kann man blutiger und düsterer, sicherlich auch deutlich homoerotischer erzählen als Mary Harron es getan hat. Es gibt bisher unverfilmte Momente aus der Buchvorlage, gegen die wirkt selbst Bones and All wie eine Fingerfarben-Challenge im Tigerentenclub. Auch die Gender-Komponente von Batemans Obsessionen und Abneigungen könnte Guadagnino deutlicher herausarbeiten, wir reden hier schließlich von dem Mann, der Call Me By Your Name und Challengers gemacht hat.
ABER: Christian Bales Performance ist legendär. Szenen aus der 2000er-Adaption so ikonisch, dass sie als Meme für mittlerweile drei Generationen funktionieren. Ich möchte einen Film von Luca Guadagnino, in dem er einen Psychopathen zeigt, der an seinem eigenen Privileg zerbricht. Aber wir brauchen kein neues American Psycho. Wir haben American Psycho zu Hause – und es ist perfekt.
“Der Geruch von Fleisch und Blut durchdringt die Eigentumswohnung, bis er mir kaum noch auffällt. Und später werden mir meine makabren Freuden sauer, und ich weine vor mich hin, unfähig, in all dem Trost zu finden, laut aufschluchzend: ‘Ich will doch nur, dass man mich liebt’, die Erde verfluchend und alles, was man mich gelehrt hat: Prinzipien, Unterschiede, Entscheidungsfreiheit, Moral, Kompromisse, Bildung, Einheit, Gebet – alles davon war falsch, ohne tieferen Sinn. Alles, worauf es hinausläuft, war: friss oder stirb. Ich sehe mein eigenes leeres Gesicht, die körperlose Stimme dringt aus dem Mund: ‘Wir leben in schrecklichen Zeiten.’ Maden wimmeln schon über die Menschenwurst, der Sabber, der von meinen Lippen tropft, läuft über sie, und immer noch weiß ich nicht, ob ich das irgendwie richtig koche, weil ich so weinen muss und weil ich ja auch eigentlich noch nie was Richtiges gekocht habe.”
Community-Aufgabe (das hier ist ein wiederkehrendes Newsletter-Element)
Welcher Film braucht noch keine Neuauflage? Schreibt’s mir in die Kommentare.
🫀 Lisa
Ich habe bei TikTok (sehr verified natürlich) ein Bild gesehen von ihm und Jacob Elordi bei einem Meeting in Venedig - pls no
Mir geht es da genau anders: Gerade weil Christian Bale so gut und charismatisch als Patrick Bateman war, hat die Verfilmung für mich einen völlig anderen Effekt gehabt als das Buch. Wenn ich daran denke, wie die Teenie-Jungs um mich rum (inklusive meinem damaligem Freund) diese Performance damals abgefeiert haben, würde mich schon interessieren, wie eine deutlich radikalere, "dreckigere" Verfilmung aussehen würde. Und vor allem ankommen würde.