Oh nein, ich liebe die Kaulitz-Brüder?!
Goddammit, Netflix, you did it again. Warum kann ich nicht wie ein NORMALER Mensch Reality-Shows gucken?
Es ist etwas Schreckliches passiert. Schreckliche Dinge passieren ja permanent und überall – Gazakrieg, all things internationaler Rechtsruck, Joe Bidens Debattenperformance, die Tatsache, dass man in der letzten HotD-Folge Aemond von vorne nackt gesehen hat und nicht Daemon –, aber in diesem spezifischen Fall ist mir etwas zugestoßen: Einmal mehr lässt mich eine Reality-Show glauben, dass ich unbedingt Teil des Lebens zweier Personen sein möchte, mit denen ich noch nie ein Wort gewechselt habe.
Ich sitze vor dem Fernseher und lache und lächle und frage mich, ob sie auch lächeln würden, wenn ich spreche. Ich habe von 0 auf 100 eine parasoziale Beziehung zu jemandem aufgebaut und trage platonische Liebe in meinem Herzen, die niemals erwidert werden wird. Danke für nichts, Netflix!
Ich spreche natürlich über Bill und Tom Kaulitz, die wichtigsten 50 Prozent vom deutschen Popkulturgut Tokio Hotel. Die machen mittlerweile nicht nur Musik, sondern haben auch einen anscheinend ziemlich erfolgreichen Podcast und ganz aktuell eine eigene Dokuserie, wenn man so will, bei Netflix: Kaulitz & Kaulitz.
Hier werden die beiden bei ihrem Leben in LA begleitet. Bill kauft teure Glitzerklamotten und Chanel-Tennisschläger (#challengerscore), wenn er nicht gerade unglücklich und irgendwie cute auf Partnersuche ist. Tom macht Designer-Lampen kaputt, repariert Dinge (keine Designer-Lampen) und telefoniert besorgt mit Heidi Klum, weil einer der gemeinsamen Welpen von einer Biene gestochen wurde. Sorry, Spoiler.
Das klingt unspektakulär und ist es natürlich auch und vielleicht liegt es daran, dass ich selbst Geschwister habe und manchmal ebenfalls betrunken Ex-Liebschaften schreibe, aber: Ich fühle mich den Kaulitzes sehr verbunden. Es macht Spaß, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich streiten und trotzdem irgendwie lieb haben. Es ist das perfekte herzwärmende Hintergrund-Programm, um dabei durch Instagram zu scrollen und ich hatte seit der letzten Abbott Elementary-Staffel nicht mehr das Gefühl, so gerne mit Leuten abhängen zu wollen. Deswegen habe ich eine aufwendige Fotocollage gemacht:
Kleiner Scherz. Also, die Collage existiert, ihr habe euch diese Wahnvorstellung nicht ins Hirn gepflanzt, aber ich bin keine Stalkerin, die gerade ihr Flugticket nach Los Angeles bucht, weil sie der Meinung ist, über den Fernseher eine wahnsinnig enge Bindung zu wildfremden Menschen aufgebaut zu haben. Was aber stimmt: Reality-Shows schaffen es innerhalb kürzester Zeit, dass ich mich sehr kurz und sehr intensiv für die gezeigten Menschen interessiere.
Habe ich eine ungesunde Art, Reality-Shows zu gucken?
Love is Blind? Nichts treibt mich mehr um als das persönliche Glück von Personen, die nach 13 Tequila-Shots vor der Schattenwand beschließen, ihr Leben für immer gegen die Wand zu fahren. Bei jeder Staffel Selling Sunset denke ich intensiv darüber nach, ob ich nicht auch einfach Häuser an Superreiche verkaufen könnte und für Tipps meine neue beste Freundin Amanza anrufe. Und auch wenn ich nach Staffel 2 ausgestiegen bin: Ich war ungesund emotional involviert beim Zerwürfnis zwischen Jimi Blue, seiner neuen Freundin und dem Rest der Ochsenknechts. (Wilson Gonzales ist eine echte Babymaus <3)
Genau so schnell wie es kommt, sind meine sehr einseitigen und sehr platonischen Reality-TV-Obsessionen dann aber auch wieder vorbei. Ich blicke auf sie zurück wie auf vergangene Freundschaften oder Tinder-Matches, mit denen man Sprachnachrichten ausgetauscht hat, manche vermisse ich sogar wie meinen wirklich sehr guten und komplett verwaisten Tumblr-Blog.
Wer nach den Kaulitzes meine emotionale Aufmerksamkeit bekommen wird? Ich weiß es noch nicht. Aber der Raum in meinem Herzen ist begrenzt und wir befinden uns zu jedem Punkt der Zeit kurz vor dem nächsten großen “Solche Einblicke gab es noch nie!”-Projekt oder der tausendsten Staffel von “psychotische Singles gaslighten sich bis ins Finale, um anschließend Markendeals für Zahnbleichmittel abzugreifen”. Hoffentlich irgendwas ohne Harry Jowsey.
Community-Aufgabe (das hier ist ein wiederkehrendes Newsletter-Element)
Habt ihr einen Lieblings-Tokio-Hotel-Song und wenn ja, mit welchem der Kaulitz-Brüder würdet ihr ihn lieber laut hören, während ihr in einem beigen Cabriolet von Magdeburg nach Bottrop braust? Schreibt es mir in die Kommentare. Außerdem freue ich mich sehr, wenn ihr mich mit einem Abo unterstützt und diese Newsletter euren Freund:innen und gerne auch Leuten, die ihr nicht so gern mögt, empfehlt.
Bye Babes, wie wir in Los Angeles sagen.
(Bei mir sind es “Boy Don’t Cry” und – mit 74 prozentiger Sicherheit – Tom.)
Ähm, wer ist Daemon? Und wenn Daemon ist, wer ist dann Aemond... Ich grübele mehr über diese und die ebenfalls sehr relevante Frage, warum Bastian Schweinsteiger im GNTM-Finale war und nicht etwa die Kaulitzes. Mit denen verbinde ich außer ein paar schrillen Koops meiner Lieblingspodcasts nämlich nicht viel. Von Tokio Hotel kenne ich nur DAS EINE Lied, das das Pech hatte, damals (2008?) auf meiner ersten Bravo gewesen zu sein. Ich mochte die Killerpilze lieber und damit wäre zu mir auch schon alles gesagt... Ich frage mich immer noch, wie ein funktionierendes menschliches Wesen aus mir werden konnte.
Ich kenne legit nur "Durch den Monsun" 🙈 Hab auch nur nebenbei mitbekommen, dass einer mit Heidi Klum verheiratet ist und sonst keine Ahnung was die beiden so gemacht haben. Vielleicht geb ich mir die Show ja Mal, etwas leichte Berieselung ist immer nice ✨