Ich muss ein Geständnis machen, dass eigentlich keines ist, denn geheim gehalten habe ich das nie: Ich liebe Reality-TV.
Das Dschungelcamp und Sommerhaus der Stars haben mich über Jahre hinweg privat und beruflich begleitet. Ex on the Beach ist eine Meisterleistung der Dramaturgie. Prominent getrennt macht mich auf eine Art glücklich und zugleich wütend, die mir Angst macht. Und als ich vor Jahren mit Elyas M’Barek für einen Artikel bei der Verleihung der Goldenen Henne war, hat mich wenig nervöser gemacht als die Tatsache, dass Paul “der einzig wahre Bachelor” Janke im Backstage-Bereich an der Rotkäppchen-Sektbar an mir vorbeigelaufen ist. (Gut, bis auf die Tatsache, dass ich dachte, auf dem Hinflug in einem sehr kleinen Privatflugzeug zu sterben, aber irgendwas ist ja immer.)
Das ist ein Bild von dem Abend. Man sieht, wie mich die Paul-Janke-Situation nachhaltig strahlen lässt. Also, nicht nur aber auch.
Eigentlich kriegt man mich mit einem guten Reality-Format immer. Nur funktionieren die Sachen, die mich früher an den Fernseher gefesselt haben, irgendwie nicht mehr. Statt mich über Menschen zu belustigen, die sich ihr Geburtstjahr großflächig auf den Torso tätowiert haben oder mit den Mausis mitzufühlen, die ihr Herz unvernünftigerweise wieder an einen Mann verloren haben, der sehr ausführlich über Löwen spricht und dabei die Realität der Hierarchie und Aufgabenverteilung in Löwenrudeln ignoriert, langweile ich mich.
So richtig klar wurde mir das zum ersten Mal bei Are You The One – Reality Stars in Love, einem certified Banger des Genres und der Hauptgrund dafür, dass ich ein RTL+ Abo habe. Bei AYTO werden Männer und Frauen in einer Villa mit Pool eingesperrt und müssen innerhalb einer festgesetzten Zeit ihr “Perfect Match” finden, also die Person, die am besten zu ihnen passt. Das hat wahrscheinlich wenig psychologischen Hintergrund und so richtig tiefgründige Gespräche führt zwischen den Alkohol und Glitzer lastigen Rummach-Parties natürlich auch niemand. Aber es gibt zumindest eine Aufgabe für alle und man kann vorm Fernseher miträtseln.
Ich liebe AYTO. Für mich ist es das perfekte Dating-Format. Aber nach mehreren Staffeln fühlen sich die Abläufe dann doch sehr … ausgelutscht an. (Und das ist keine Anspielung auf den Boom Boom Room!)
Sehr früh bestimmen mehrere Couples, dass sie Seelenverwandte sind und deswegen “exklusiv” miteinander sein wollen. Ein Teil des jeweiligen Paares knutscht dann natürlich doch fremd und es wird sich ein bisschen drüber aufgeregt. Am Schluss errechnet die Person, die am wenigsten rumgeknutscht hat, wer nun wirklich mit wem das Match einloggen muss. Die Rollen sind klar verteilt, nur die Gesichter sind anders.
Am Schluss kriegt jede teilnehmende Person ein paar tausend Euro und erzählt in Insta-Stories, welche Masken hinter den Kulissen nun wirklich gefallen sind, bis es wirklich niemand mehr hören möchte. Keines der Paare bleibt bestehen. 50 Prozent der Teilnehmenden sieht man wenige Wochen später im nächsten Format.
Jede Woche frage ich mich aufs Neue: Wen würde ich als erstes im ungeputzten Waschbecken ertränken?
Das bringt uns zum nächsten Problem: Den Formaten gehen die mitfühlenswerten, frischen Charaktere aus. Die aktuelle Staffel des Sommerhauses ist deswegen eine absolute Schnarch-Show. Nicht, weil es zu wenig Drama gibt – es gibt zu viel. Alle sind unsympathisch, niemandem gönnt man so richtig den Sieg und nur negative Emotionen zu allen Beteiligten sind für mich genau so uninteressant wie eine Show, bei der sich alle mögen und nichts passiert. Wirklich interessante Beziehungsdynamiken haben durch ständig neue Spiele und inszenierte Streits nicht genug Raum, um sich zu entfalten. Was schade ist, denn genau deswegen gucke ich mir ja an, wie semi-prominente Menschen, die in 80 Prozent der Fälle nicht zusammen sein sollten, im Verlauf der Staffel heraus finden, dass sie nicht zusammen sein sollten.
Die unerträgliche Komplexität des zwischenmenschlichen Miteinanders sind das schlagende Herz von Reality-TV, womit wir zu meiner letzten aktuellen Enttäuschung kommen: Love is Blind.
Netflix’ erfolgreichstes Dating-Format hat mittlerweile mehrere lokale Ableger, die sich alle echter und interessanter anfühlen als die OG-Variante aus den USA. Eigentlich hatte ich große Hoffnungen für die aktuelle siebte Staffel in Washington D.C., weil hier endlich mal wieder ein Austragungsort gewählt wurde, in dem rein demografisch potenziell weniger erzkonservative Jesus-Fans dabei sein dürften. In der Realität ist der einzige Unterschied, dass Netflix endlich mal politische Diskussionen zwischen den Kandidat:innen zeigt. (Und den hochgradig psychotischen Kunsthändler viel zu früh rausschmeißt!)
Vielleicht braucht es ein Umdenken beim Casting, frische Ideen und Mut, das Format etwas umzustellen, oder einfach eine andere Priorisierung dessen, was man in den Folgen zeigt und was nicht. Ich weiß es nicht. Aber der Status Quo bei meinen Lieblings-Reality-Shows macht mich aktuell sehr unglücklich.
Werde ich trotzdem die erste Staffel Love Island VIP, die am 24.10. startet, in mich hineinschlürfen wie Kandidat Gigi (❤️) es vermutlich mit Schnaps aus den Bauchnäbeln hotter Kandidatinnen tun wird? Ja, natürlich. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber wahrscheinlich werde ich dabei nicht nur alle fünf, sondern alle drei Minuten aufs Handy gucken.
Community-Aufgabe (das hier ist ein wiederkehrendes Newsletter-Element)
Habt ihr einen Dating-Show-Geheimtipp für mich, muss auch nicht bei RTL+ laufen? Let me know in se Kommentarspalte pls.
🫀 Lisa
P.S.: Ganz vielleicht hat mir Nobody Wants This aber auch versaut, bei vermeintlicher Seelenverwandtschaft in Dating-Shows noch irgendetwas zu fühlen. Inwiefern Netflix in der Romcom den perfekten Mann erfunden hat, habe ich für den SPIEGEL aufgeschrieben.
Ayto amerikanisch. Besonders die letzte nicht-hetero Staffel. Oder aber wenn du gaaanz tief Diven willst The Challenge. Dürften mittlerweile ca 49 Staffeln sein. Kann man beruhigt mittig anfangen, man kommt rein. Spannende Charaktere und krasse Aufgaben.
Dinner Date auf ZDF! Dating meets öffentlich rechtlich. Wurde leider abgesetzt, die Staffeln sind aber noch online 🌝