Hi Friendos,
März ist nicht nur für die Welt, sondern auch für mich persönlich der bisher stressigste Monat des Jahres. Nicht nur, weil ich letzte Woche Geburtstag hatte, was sich in der Regel durch größere Mengen Crémant und verstärkte Gedanken zur eigenen Sterblichkeit ausdrückt. Auch die Tatsache, dass ich herausgefunden habe, dass ich im Fall eines nuklearen Krieges in einer der vercracktesten U-Bahn-Stationen Berlins aufs Überleben hoffen müsste, weil es in Berlin keinen einzigen funktionsfähigen Schutzbunker für die Öffentlichkeit gibt, entspannt mich … weniger.
Nein, im März passiert einiges Berufliches, wovon ich euch irgendwann in der Zukunft werde erzählen können. So viel kann ich aber verraten: Auch das wird mich nicht vom sehr unteren Ende der Mittelschicht hochhieven. Sorry, still not a Champagner-Linke. (Merkt euch diese Begrifflichkeit für später!)
Aber das alles ist irrelevant, maximal eine Entschuldigung dafür, dass ich im März nicht im Ansatz so viel popkulturell Geiles konsumiere und dementsprechend auch deutlich weniger empfehlen kann. Aber besser als nüscht, wa? Also fangen wir an, bevor meine Rechtfertigungsversuche allzu jämmerlich werden.
Was lesen?
Ganz pragmatisch: die Punkte, auf die Union und SPD sich in Sondierungsgesprächen geeinigt haben. Wird das fun? Nö. Klingt eher, als würde die SPD das tun, was sie in Vergangenen schwarz-roten Koalitionen schon getan hat, sich nämlich nahezu vollends an die Union anzunähern. Aber besser informiert sein, als überrascht werden. Ist das die Politik, die wir angesichts der aktuellen Weltlage brauchen? Keine Ahnung, fragt Leute, die dafür bezahlt werden, politisch klug zu sein und das Ganze auch wirtschaftlich und sozial einordnen zu können.
Im Hinblick auf Deutschland und innenpolitische Fragen wiederhole ich nur, was ich an dieser Stelle – glaube ich? – schon öfter gesagt habe, und wovon ich wirklich überzeugt bin: Wer sehr rechten Positionen hinterherläuft, sorgt dafür, dass mehr Menschen sehr rechts wählen. Und der beste Weg gegen Rechtsextremismus und extrem rechts wählende Menschen ist in meinen Augen eine faire, sozialere Politik, die allen hilft und damit Gräben überwindet statt sie auszuweiten. Mehr Informationen dazu gibt es unter anderem bei der Hans-Böckler-Stiftung und dem Bundesverband Mobile Beratung.
Und natürlich Kampf gegen Nazis und jene, die (noch?) nicht offen zugeben wollen, welche zu sein. Aber das versteht sich ja von selbst.
Was hören?
(Kleine Anmerkung in dieser Kategorie oder vielleicht ganz generell: Ich empfehle hier nicht nur aktuelle, neue Sachen. Manchmal bleibe ich dramatisch auf älterem Kram hängen, der meine komplette Kapazität auslöscht, irgendetwas Anderes, Neues zu konsumieren. Dieser Song ist so ein Fall.)
Was schauen
White Lotus, natürlich! Ich hätte nicht gedacht, dass mir eine Staffel ohne die große Jennifer Coolidge so gut gefallen könnte, aber die Serie war immer mehr als die ihre Einzelteile und ich habe eine ausgeprägte Schwäche für Jason Isaacs. Insbesondere dann, wenn er auf Lorazepam und unten ohne in thailändischen Luxusresorts abhängt.
Bei Severance hingegen bin ich noch nicht ganz auf dem neuesten Stand. Auch, weil Irving die einzige Figur ist, die mich in Staffel 2 bisher abholt und ich mich ansonsten sehr viel (zu viel) frage: What’s the point? Natürlich ist das alles toll inszeniert und gespielt und geschrieben. Aber irgendwie fühlt es sich für mich an, als hätte die Serie in dieser ziemlich langen Pause zwischen der ersten und der zweiten Staffel ihren Drive verloren. Sagt mir gerne mal, wie ihr das empfindet. (Selbiges gilt übrigens für Staffel 3 von Yellowjackets!)
Unfassbar und uneingeschränkt hat mich aber die dritte Staffel von Industry gekriegt, zu streamen bei Sky/WOW. Es geht immer noch um mal mehr, mal weniger moralisch flexible Finance-Leute in London, aber auch um Depressionen, Liebe, Sucht, Trauma … Bei Industry geht es mir wie mit einer anderen exzellenten, wenn nicht der besten HBO-Serie – Succession: Wenn man den Inhalt beschreibt, klingt es langweilig. Nicht das was, sondern das wie ist entscheidend.
Ich verstehe absolut gar nichts vom Investmentbanker-Dasein und nicke nur mit glasigen Augen mit, wenn jemand auf dem Fernsehbildschirm die Risiken einer Transaktion beschreibt, aber dann guckt mein Lieblingsbanker Robert wieder traurig und der perfekte Song setzt ein und alles ist wundervoll. Industry ist Gossip Girl für FAZ-Abonnent:innen und ihr solltet es wirklich alle schauen.
Was spielen?
Bisher (noch) nicht empfehlen kann ich Avowed. Das ist das neue Action-Rollenspiel von Obsidian und wurde eigentlich ziemlich abgefeiert. Ich habe lange überlegt, ob das ein Spiel für mich ist, vor allem, weil ich Vergleiche zu Skyrim gelesen und im Gegensatz zum Rest der Welt keine einzige Sekunde Spaß damit gehabt habe. Dann habe ich aber sehr viel Positives darüber gelesen und gehört – und seitdem ich Divinity Original Sin 2 abgebrochen habe, brauche ich irgendwas Neues.
In Avowed ist man eine übermenschliche (oder überelfliche) Figur, die für … ach, wisst ihr was, keine Ahnung. Ich bin beim Intro gedanklich komplett ausgestiegen, denn ich habe die Aufmerksamkeitsspanne eines Spechts. Wichtig ist nur: Das Spiel basiert auf der Welt von Pillars of Eternity, ihr sollt eine Verschwörung aufdecken bzw. einer seltsamen Seuche auf die Schliche kommen und habt Kräfte, die sonst niemand hat. Also alles, was man sonst so aus RPGs kennt, nur dass Avowed außergewöhnlich toll geschrieben und inszeniert sein soll.
Das kann ich bisher nicht bestätigen, weil ich bereits beim zweiten größeren Kampf frustriert aufgegeben habe und noch gar keine Chance hatte, in die Story einzutauchen. Mein Charakter hat nämlich quasi keine Körperkraft, weil er eher auf Zaubern fokussiert ist. Zaubern kann man aber nur mit einem Buch (oder Skills, die sich erst ab Level 2 freischalten lassen), und zum Zeitpunkt dieses spezifischen Kampfes bin ich noch auf Level 1 und habe bisher kein Buch gefunden. Das heißt, ich kämpfe mit den Nahkampffähigkeiten eines übermüdeten Kleinkinds gegen mehrere gepanzerte Echsen. Das macht keinen Spaß und ich weigere mich aktuell, bewusst und absichtlich keinen Spaß zu haben.
Bitte sagt mir in den Kommentaren, ob ich was übersehen habe. Ich schwöre, ich habe mir alle Tutorial-Texte durchgelesen!!
Ansonsten …
… bin ich aktuell in einem absoluten YouTube/Twitch-Rabbithole gefangen. Eigentlich wollte ich mich nur so halbberuflich mit sehr linken politischen (Reaction-)Streamern beschäftigen. Weil: Unter anderem die Aufholjagd der Linken vor der Bundestagswahl hat gezeigt, dass es auf Social Media durchaus Bedarf an solchen Inhalten gibt, während right-wing Grifter auf Youtube und Twitch gerade richtig viel Geld machen.
Aktuell gucke ich mich sogar beim Zähneputzen durch Stream-Aufzeichnungen und Reddit-Threads um ein Gefühl dafür zu kriegen, ob jemand wirklich Terroristen abgefeiert hat oder alles nur aus dem Kontext gerissen wurde, wer vielleicht doch nicht so hundertprozentig versteht, wie aktuelle weltpolitische Geschehnisse zusammenhängen, und wer zwischenzeitlich mal gecancelt war, weil er in einem Live-Stream aus Versehen Einblicke in seinen … Porno-Ordner gewährt hat. Ich wünschte, ich würde mir das ausdenken.
Und natürlich steht über allem die Frage: Kann man überhaupt noch links sein, wenn man damit mehr Geld verdient als der durchschnittliche Arbeiter/die durchschnittliche Arbeiterin, oder ist man dann ein Champagner-Linker und damit fake? It’s a lot. Wahrscheinlich sage ich in der kommenden Lästerschwestern-Folge (Influencer-Podcast, bei dem ich regelmäßig zu Gast bin) etwas dazu. Lasst mich sehr gerne wissen, wie ihr dazu steht – und ob es linke Streamer:innen gibt, die ihr empfehlen könnt.
Community-Aufgabe (das hier ist ein wiederkehrendes Newsletter-Element)
In diesem Newsletter sind mehrere Fragen an euch versteckt. Findet ihr sie alle?
🫀 Lisa
Kommt dann demnächst eine kleine Aufstellung der besten linken Streamer etc.? Pretty please!